BUNDjugend  

Warum fliegen wir?

Fliegen ist ein Klimakiller! Warum tun wir es trotzdem?

Diese Woche startet erneut der zweite Teil unseres deutsch-ägyptischen Jugendaustausches. Zeit sich auch mit dem unbequemen Thema des Fliegens auseinander zu setzen.

Das Flugzeug ist das klimaschädlichste Transportmittel. Obwohl es nur 2,2% zu den weltweiten CO2-Emissionen beiträgt, sind die Wirkungen auf den Treibhauseffekt deutlich größer. Da Flugzeuge in großen Höhen fliegen, haben sie noch stärkeren Einfluss auf das Klima als durch die reinen CO2-Emissionen.

Darum ist es wichtig und dringend notwendig, politische Antworten auf die immer weiter steigenden CO2-Emissionen durch den Flugverkehr zu finden, indem man das Kerosin endlich wie bei allen anderen Treibstoffarten besteuert (Artikel des vcd zur Kerosinsteuer) und zusätzlich die Emissionen mit Preisen belegt (zum Beispiel durch eine CO2-Steuer). Auch der Ausbau klimafreundlicher Alternativen (wie zum Beispiel die Bahn) gehören zu diesen politischen Maßnahmen. Dabei reicht es nicht aus, auf den Bau klimafreundlicherer Flugzeuge oder Biokraftstoff zu verweisen, da diese Lösungen in zu weiter Zukunft liegen. Welche weiteren Ideen wir für eine Mobilitätswende haben, findest Du in dieser Broschüre.

Gerade weil diese politischen Maßnahmen noch zu langsam voran kommen, muss jede*r Einzelne auch den eigenen Lebensstil anpassen und klimafreundlicher werden. Der Verzicht auf Flugreisen ist dabei einer der effektivsten persönlichen Hebel (zusammen mit dem Verzicht auf das Autofahren). Erst dahinter kommt der Bezug von Ökostrom und die Umstellung auf eine vegetarisch/vegane Ernährung.

Trotzdem organisiert die BUNDjugend dieses Jahr erneut einen deutsch-ägyptischen Jugendaustausch, bei dem die Teilnehmer*innen fliegen – wie passt das zusammen?

Ein Flug nach Ägypten und zurück verursacht ca. 1.250 kg CO2-Aquivalente pro Person (444 kg direkte Emissionen, 806 kg durch indirekte Wirkung wie Kondensstreifen) und damit mehr als die Hälfte des klimaverträglichen Jahresbudget eines Menschen (2.300 kg). [Quelle www.atmosfair.de]

Wir sind als BUNDjugend Berlin überzeugt, dass wir ein globales Problem wie den Klimawandel auch global lösen müssen. Dafür ist es wichtig, auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken. Wir müssen voneinander lernen und ein Verständnis für die Probleme und Lösungsideen anderer entwickeln.

Ägypten hat einen CO2-Ausstoß pro Kopf von 2-3 Tonnen, wobei diese Emissionen natürlich sehr unterschiedlich zwischen arm und reich und auch zwischen Land- und Stadtbevölkerung verteilt ist. Trotzdem gewinnen die Teilnehmer*innen einen Eindruck, wie eine 2-Tonnen-CO2-Gesellschaft aussehen und was das bedeuten kann. Gleichzeitig lernen die Teilnehmer*innen, wie schwer es ist, den Konflikt zwischen wirtschaftlichem Wachstum für die Bevölkerung und den Klimafolgen aufzulösen.

Ganz praktisch kommt man international auf neue Ideen, wie Lösungswege aussehen können oder wie man sich an den Klimawandel anpassen kann. Beim diesjährigen Thema Wasser lernen wir zum beispiel ganz praktisch, wie sich Häuser und Städte vor Hitze und Dürre schützen können. Der Austausch fördert damit das globale Verständnis und die Solidarität untereinander, um gemeinsam für eine bessere Welt für alle zu kämpfen, statt den nationalen Vorteil in den Vordergrund zu stellen.

Gleichzeitig versuchen wir, auch eine internationale Begegnung so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Dies beginnt auch bei uns natürlich mit der Anreise. Leider gibt es keine praktikablen Möglichkeiten mehr, ohne Flugzeug nach Ägypten zu reisen, da es keine Fährverbindungen von Italien oder Griechenland gibt. Nach Weißrussland, Frankreich, Russland oder die Ungarn ging es bislang immer mit dem Zug. So bleibt für Ägypten leider nur das Flugzeug (wobei wir durch Direktflüge zusätzliche Belastungen durch Start und Landung zu vermeiden versuchen).

Wir verzichten auf internationale Vorbereitungstreffen und machen diese ausschließlich virtuell, um auf unnötige Flüge zu verzichten. Dafür beginnen wir bereits während des Austausches mit der Planung (um sich kennenzulernen und zu sehen), so dass das digitale Arbeiten vereinfacht wird.

Der zweitgrößte Faktor sind Unterkunft und Verpflegung. Wir wohnen in einfachen Gruppenunterkünften und kochen weitgehend selbst (wenigstens in Deutschland). Die Verpflegung ist ausschließlich vegan, was insbesondere für viele der ägyptischen Teilnehmer*innen das erste Mal ist, auf Fleisch zu verzichten. Besonders freut uns, dass einige der deutschen und ägyptischen Teilnehmer*innen Gefallen daran finden und ihre Ernährung auch nach dem Austausch umstellen. In Deutschland ist es uns außerdem wichtig, Biolebensmittel zu verwenden und verpackungsarm einzukaufen. Soweit möglich kommen unsere Lebensmittel sogar von SirPlus oder Foodsharing (sind also gerettete Lebensmittel).

Die Anreise innerhalb Deutschlands und der Transport während des Austausches machen wir mit ÖPNV, in Ägypten teilweise mit einem Reisebus. Oft gehört auch das Fahrrad zu unseren Fortbewegungsmitteln, wobei das einige der ägyptischen Teilnehmer*innen erst während des Austausches lernen.

Ziel der Begegnung ist nicht nur der direkte Austausch und das Lernen, sondern auch Ideen zu entwickeln, wie wir Deutschland und Ägypten umweltfreundlicher machen können. So sind aus dem Austausch bereits einige tolle Projekte entstanden, die geholfen haben, Plastikmüll zu vermeiden, Städte grüner zu machen oder in Workshops den Nachhaltigkeitsgedanken zu verbreiten.

Und CO2-Kompensationen?

Wie ihr sicher wisst, gibt es verschiedenste Anbieter für CO2-Kompensationen (wie zum Beispiel Atmosfair). Diese investieren den gespendeten Beitrag, um Klimaschutzprojekte im globalen Süden zu finanzieren, die ihrerseits dadurch CO2 einsparen.Dadurch verschwindet das CO2 nicht einfach und ist damit keine systemische Lösung, kann aber ein sinnvoller, persönlicher Beitrag sein, wenn sich Reisen nicht vermeiden lassen.

Wir gleichen die CO2-Kompensationen bei unserem Austausch nicht zentral aus. Statt dessen versuchen wir, die Emissionen selbst an anderer Stelle einzusparen, indem wir den Teilnehmer*innen transparent machen, wie viel CO2 der Flug verursacht und welche Möglichkeiten es gibt, den eigenen CO2-Fußabdruck kurz- und langfristig zu reduzieren. Die Teilnehmer*innen werden motiviert sich eigene Ziele zum Ausgleich zu setzen. Gleichzeitig hoffen wir (und können es auch beobachten), dass die Teilnehmer*innen den Austausch nicht als zusätzlichen, günstigen Urlaub ansehen, sondern oft anstelle eines eigenen Urlaubs teilnehmen.

Und nun?

Trotzdem bleibt ein solcher Austausch ein zusätzlicher CO2-Ausstoß und der lässt sich nicht wegdiskutieren. Wie bei jedem Projekt ist das ein andauernder Abwägungsprozess, ob die positiven Auswirkungen die negativen überwiegen und das Projekt diese zusätzlichen Belastungen wert ist.

Ich bin als Jugendbildungsreferent davon überzeugt, da ich die letzten Jahr gesehen habe, wie es die Teilnehmer*innen beeinflusst und zu umweltfreundlichen Verhalten motiviert. Ich habe das Gefühl, dass wir mit dem Projekt etwas positives bewirken und hoffe, dass wir ihn noch lange fortsetzen und von Jahr zu Jahr verbessern können – vielleicht gibt es eines Tages auch (wieder) eine Fährverbindung nach Ägypten und wir können auf das Fliegen verzichten.