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Am Freitag, dem 25.01.19 musste ich ausnahmsweise weder eine Gedichtinterpretation schreiben, noch die adaptive Radiation des Darwinfinken erklären. Stattdessen stand ich zusammen mit mehreren Tausend anderen Schüler*innen aus ganz Deutschland vorm Kanzleramt, um für einen schnellen Kohleausstieg zu demonstrieren. Und damit waren wir nicht allein: in Städten weltweit schwänzten Schüler*innen als Teil der Bewegung „Fridays for Future“ die Schule, um für echten Klimaschutz zu demonstrieren. Bunt und laut zogen wir vom Bundeswirtschaftsministerium bis zum Kanzleramt. „Wenn ihr Kohle abbauen möchtet, spielt Minecraft!“ stand auf einem der vielen Plakate, die durch die Straßen getragen wurden. Ein anderes verkündete: „Das Klima ist hoffnungsloser als mein Mathe-Abi“.
Anlass für den Schulstreik am Freitag war die Kohlekommission, die parallel zum Streik im Wirtschaftsministerium in Berlin tagte. Das Gremium, bestenend aus Vertreter*innen aus Politik, Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbänden sollte ein Konzept für den Ausstieg aus der Kohle erarbeiten. Einen Tag später war es dann soweit, am frühen Morgen wurde das Ende der Kohle eingeläutet. Der Abschlussbericht der Kohlekommission sieht nun vor, bis 2022 erste Kohlekraftwerke abzuschalten und im Jahr 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz zu nehmen. Gleichzeitig sollen verschiedene Maßnahmen und Gelder einen Strukturwandel in den vom Kohleabbau betroffenen Gebieten abfedern. Und während es beim Start der Kohlekommission noch schlecht für den Hambacher Forst aussah, spricht sich die Kommission nun für einen Erhalt des Waldes aus – ein großer Erfolg der Klimabewegung! Aber es gibt auch Kritik: Umweltverbände bemängeln, dass ein Kohleausstieg bis 2030 nötig wäre, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Zudem seien viele Empfehlungen der Kommission zu unklar geblieben, weil man sich nicht einigen konnte.
Deutschland als Vorreiter in Sachen Klimaschutz? Wohl eher nicht. Damit Deutschland sein Klimaschutzziel 2020 nicht verfehlt, müssen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bisher sind jedoch erst etwa 32 Prozent geschafft. Allein die deutschen Kohlekraftwerke sind für rund ein Drittel der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um das Klimaschutzziel 2020 also nicht krachend zu verfehlen, braucht es ehrgeizigeren Klimaschutz.
Viele Schüler*innen in Deutschland wollen deshalb auch weiterhin für ihre Zukunft auf die Straße gehen. In der Öffentlichkeit wird heiß diskutiert, ob die Schüler*innen für das schwänzen des Unterrichts bestraft werden sollen. Davon lassen sich die meisten Schüler*innen aber kaum beeindrucken – man kann schließlich immer noch einen Arzttermin oder Krankheit vortäuschen, um sich unauffällig aus der Schule zu stehlen. Oder man probiert es mit Offenheit: Als sich kurzfristig ein Gespräch mit unserer Lehrerin ergab, reagierte sie überraschend positiv auf unser Vorhaben und beurlaubte uns „auf dem kleinen Dienstweg“ vom Unterricht.
Klar ist, der Klimawandel wartet nicht, bis zu unserem Schulabschluss.
Von Charlotte Münch