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„In zwei Wochen werden sich alle fragen: ‚Huch, ist der Gipfel schon vorbei – vom Ergebnis hab‘ ich ja gar nichts mitgekriegt!“
…aufgeschnappt im Fernbus auf der Strecke Hamburg-Berlin von einer G20-Demonstrantin. Und ja, die Krawalle und Auseinandersetzungen mit der Polizei haben in der medialen Berichterstattung der letzten Tage nicht nur den omnipräsenten friedlichen, inhaltlich orientierten Protest, sondern eben auch die (Nicht-)Ergebnisse des eigentlichen Gipfeltreffens überschattet.
Umso wichtiger zumindest ein nachträglicher Blick auf das, was da in Hamburg in den Messehallen geschah. Und der lohnt sich dieses Mal ganz besonders. Denn im Jahr der deutschen Präsidentschaft unter dem Motto „Zukunftsfähigkeit verbessern“ sollte dem Thema Klimapolitik besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zudem hatte die Debatte um das Zwei-Grad-Ziel von vornherein eine besondere Brisanz: US-Präsident Trump bestreitet den (menschgemachten) Klimawandel und hatte den Pariser Klimaverträgen nach seiner Wahl eine deutliche Absage erteilt.
Ein „softes“ Thema wird Konfliktgrundlage. Ein Politikfeld der friedlichen Bewegung, des kontinuierlichen Erstarkens im gesellschaftlichen Bewusstseins und des Konsenses der internationalen Gemeinschaft (nur selten gelang es, so viele Staaten zur Ratifizierung eines verbindlichen Abkommens zu bewegen) entwickelt sich seit jeher mehr und zum Provokationsmittel einzelner Staats- und Regierungschefs. Nachdem die Geschlossenheit von 19 G20-Staaten hinter den Errungenschaften von Paris als eines der wichtigsten Schritte des Gipfels zählte, überraschte der türkische Präsident Erdogan am Samstagnachmittag mit folgender Aussage: „Bei allen [Unterzeichnerstaaten] gibt es Probleme. Insofern geht nach diesem Schritt von Amerika unser Standpunkt im Moment in die Richtung, dass es vom Parlament nicht ratifiziert wird“. Auch die saudi-arabische wie die russische Delegation hatten sich zunächst klar gegen eine Formulierung kontra fossile Brennstoffe gestellt. Von „clean fossile fuels“ oder „Erdgas als Übergangslösung“ sollte stattdessen die Rede sein.
Die Argumentationsstruktur der Debatte zeigt vor allem eines: Klimapolitische Fragestellungen werden schon längst nicht mehr nur im Rahmen der Hoffnung auf eine sozial gerechte, ökologische und ökonomisch-nachhaltige Welt diskutiert, sondern auch Gegenstand der mitschwingenden geopolitischen und machtpolitischen Interessen. Dies ist eine gefährliche Entwicklung, die in Zukunft verstärkt von der Zivilgesellschaft unter die Lupe genommen werden sollte.
Wie auch schon tagesschau.de titelte: „G20-Gipfel: Ein bisschen mehr als nichts.“ (Achja, wenn man die laufenden Motoren von Hunderten Polizeiautos, Wasserwerfern, Motorrädern und Helikoptern über eine Dauer von 6 Tagen hinzurechnet, sind wir mit den Ergebnissen für den Klimaschutz vermutlich schon eher im negativen Bereich.)
Von Marie-Luise Wahn