BUNDjugend  
Corona weltweit

Interview mit Trung Nguyen aus Vietnam

  1. Alter, Beruf, Superheldenpower
    Ich bin 29 Jahre alt und lebe in Vietnam. Nachdem ich meine Anstellung in einer Schule aufgegeben habe lebe ich momentan zu Hause bei meiner Familie und helfe ihnen bei ihrer Arbeit.
  2. In welcher Situation befindet sich das Land, in welchem du lebst, gerade in Bezug auf Cornona-Krise?
    Wir haben 200 festgestellte Infektionsfälle. Bis jetzt ist jedoch niemand gestorben und wir haben die Pandemie unter Kontrolle.„Social Distancing“ bedeutet bei uns, dass Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen untersagt sind, darunter zählen auch Familienbesuche. In den meisten Arbeitsstätten wird aber immer noch gearbeitet und weniger betroffene Gewerbe und Geschäfte werden ganz normal weiter betrieben.
  3. Wie geht die Politik mit der Krise um?
    Seit dem ersten Tag, an dem wir von der Pandemie erfahren haben, hat die Regierung verschiedene Strategien vorbereitet, um uns vor dem Virus zu schützen und die Situation zu kontrollieren. Während das Chinesische Neujahrsfest gefeiert wurde hat die Regierung strenge Sicherheitsmaßnahmen unternommen. So wurden alle, die aus China zurückgekommen sind, kontrolliert und untersucht sowie sämtliche mit der Person in Kontakt stehende Menschen ausfindig gemacht. So machen wir das von Anfang an bis heute. Zudem sind alle Schulen geschlossen. Sämtliche Personen, die aus Risikogebieten zurückkommen, müssen direkt in die Quarantäne. Sobald eine Infektion festgestellt wird, werden alle Kontaktpersonen der letzten 14 Tage ausfindig gemacht und müssen ebenfalls in Quarantäne gehen.

    Die Kommunikation erfolgt hauptsächlich durch verschiedene soziale Medien, Fernsehen und Zeitungen. In kleineren, weiter entfernten, Städten gibt es jeden Nachmittag Ankündigungen der kommunalen Regierungen zur derzeitigen Situation rund um das Coronavirus.

    Zur Schutzmaßnahme müssen alle Menschen Masken tragen. Diejenigen, die dagegen verstoßen, müssen Bußgelder zahlen.

  4. Was könnte deines Erachtens nach das größte Problem für die Menschen werden?
    Eine der größten Herausforderungen ist die Anzahl der Menschen, die inzwischen unter Quarantäne stehen. Sie beläuft sich auf Zehntausende. Größere Städte wie Hanoi oder Chi Minh haben bereits jetzt ihre maximalen Kapazitäten erreicht, jedoch kommen immer mehr Menschen aus dem Westen zurück. Momentan wird aber daran gearbeitet die vorhandenen Quarantänebereiche zu erweitern. Das ist unserer Meinung nach die effizienteste und kostengünstigste Art und Weise, um mit dieser Pandemie umzugehen.

    Eine weitere Schwierigkeit ist die steigende Anzahl Arbeitsloser in betroffenen Bereichen wie Bildung und Tourismus, zudem arbeiten viele Unternehmen mit dem Westen zusammen.

  5. Wie fühlst du dich persönlich? Wie beeinflusst die Situation dich und dein Leben? Was gibt dir Kraft?
    Gute Frage, ich glaube generell geht es mir ganz gut in der momentanen Situation. Zuerst einmal, weil jede Person hier sich der Lage bewusst ist und die Regierung alles strikt kontrolliert. Wie viele andere junge Menschen habe ich gerade keinen Job, aber es fühlt sich eher wie ein sehr langer Urlaub mit meiner Familie an, weit entfernt von der Stadt. Meine Familie betreibt eine Farm und kann sich selbst versorgen. Der Großteil der Menschen in Vietnam, die in der Stadt arbeiten, haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Deswegen gehen die meisten dorthin zu ihren Familien zurück und leben gerade auf dem Land.

    Aufgrund der plötzlichen Veränderung meiner Arbeit und meiner Lebensweise fühle ich mich manchmal unsicher und habe Angst, was die Zukunft bringen wird. Ich bin mir nicht sicher, wie die Welt nach dieser Pandemie aussehen wird. Trotzdem versuche ich die Situation weiterhin positiv zu sehen, z.B. habe ich jetzt mehr Zeit für mich und meine Familie. Ich kann wieder mehr meditieren und Yoga machen, sowie mich mit verschiedenen Sachverhalten auseinandersetzen und so viel Neues lernen. Möglicherweise hilft die Pandemie unserer Erde in Bezug auf den Umweltschutz und die Menschen ändern sich in einer guten Art und Weise.

  6. Wie gehen weniger privilegierte Menschen mit Covid-19 um (z.B. in Slums, Flüchtlingslagern)? Was sind deren größte Herausforderungen und wie werden diese angegangen?
    Es gibt sehr arme Menschen in den Slums hier, die ihren Job aufgrund der Pandemie verloren haben. Sie müssen mit verschiedenen Schwierigkeiten klarkommen, aber es gibt Unterstützungen von mehr privilegierten Menschen, die kostenloses Essen ausgeben lassen oder auch kostenfreie Unterkünfte anbieten.
  7. Gibt es einen Unterschied zwischen den Städten und den ländlichen Regionen? Was sind Schwierigkeiten für die Menschen, die außerhalb der urbanen Stadtgebiete leben und wie reagieren sie darauf?
    Es gibt große Abweichungen zwischen Stadt und Land, aber die meisten Menschen aus der Stadt haben Familien mit Farmen auf dem Land, die sich selbst versorgen können. Ich denke in dieser Krise leiden die Menschen aus den nicht-urbanen Gebieten weniger, da ihre Versorgungssicherheit gewährleistet ist und sie weiterhin, größtenteils normal, weiterarbeiten können.
  8. Wie gehen die jungen Menschen mit der Krise um? Wie stark beeinträchtigt das Virus deren Alltag in Bezug auf Bildung und Arbeit?
    Wir haben damit angefangen einige Online-Bildungsprogramme für Kinder einzuführen. Junge Menschen, die ihren Job verloren haben, kommen zurück zu ihren Familien und helfen diesen bei der Arbeit. Viele können aber auch weiterhin normal arbeiten, jedoch unter den strikten Auflagen des „Social Distancing“.
  9. Zeigt die Gesellschaft außergewöhnliche Solidarität in der aktuellen Situation?
    Ich denke, dass unsere Gesellschaft während dieser Zeit stärker geworden ist. Wir hören auf die Instruktionen der Regierung und befolgen diese alle. Wir spenden und helfen bedürftigen Menschen in der Not soweit wir können. Generell glauben die meisten von uns, dass wir diese Krise gut überstehen werden.
  10. Was sollten Deutschland und die EU deiner Meinung nach tun um deinem Land zu helfen?
    Wir wissen, dass wir in einer vom Virus wenig betroffenen Region leben, deshalb beten wir für die Menschen in Ländern, die deutlich stärker getroffen wurden als wir. Europa hat es wahrscheinlich am schlimmsten erwischt, deshalb erwarten wir momentan keine Hilfe von der EU. Zudem brauchen andere Länder wie Indien gerade dringender Hilfe aufgrund der hohen Anzahl vom Menschen, die obdachlos sind oder in Slums leben.